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Produktion

Mit ["1971: The Year That Music Changed Everything"](/movie/1971-the-year-that-music-changed-everything) geht heute bei Apple TV+ eine außergewöhnliche achtteilige Dokuserie an den Start. Wir sprachen mit Filmemacher [Asif Kapadia](/person/asif-kapadia), seinem Produzenten [James Gay-Rees](/person/james-gay-rees) und Regisseur [James Rogan](/person/james-rogan) über ihre Herangehensweise.


Wie kondensiert man ein Jahr in eine achtteilige Serie? Wie isoliert man die Ereignisse und Themen, die man verfolgen und erörtern will?


JAMES GAY-REES: Es war ein sehr turbulentes Jahr, nicht einfach nur mit viel Musik und vielen Ereignissen, sondern mit erschütternd viel sehr guter Musik und wichtigen Ereignissen, die direkt mit der guten Musik korrespondieren. Nicht zuletzt war das der Grund, warum wir eine Serie über 1971 machen wollten. Klar ist natürlich auch: Man kann nicht alles abdecken. Wir haben uns überlegt, wie man eine Musikdokumentation auf eine vielleicht etwas andere Weise gestalten kann. Der offensichtliche Ansatz wäre gewesen, sich die einzelnen Platten herauszugreifen und zu erzählen, wie sie entstanden.


Kann man machen. Das wollten Sie aber nicht?


JAMES GAY-REES: Nach unserer ersten umfassenden Rechercherunde stand für uns fest, dass 1971 ein Jahr mit seismischen politischen und gesellschaftlichen Veränderungen war. Nachdem die Sechzigerjahre mit Manson und Altamont zu einem nicht allzu schönen Ende gekommen waren, mussten sich die frühen Siebziger erst einmal von diesem Schock erholen, bevor sich später das Goldene Zeitalter der Paranoia herausschälte. 1971 hing alles in der Schwebe, alles schien möglich, viele Wege waren offen. Was in der Musik passierte, spiegelte Entwicklungen in der Gesellschaft, kommentierte sie, löste sie aus. Das haben wir analysiert und identifizierten die Themen, die uns am interessantesten erschienen, und betrachteten, wie sie sich in der Musik reflektierten. Das war ziemlich ambitioniert. Aber im Zweifelsfall konnten wir uns von der Musik leiten lassen.


JAMES ROGAN: James und Asif hatten die Themen gemeinsam mit Musikberaterin Danielle Peck herausgearbeitet, bevor ich an Bord kam. Ich war sofort begeistert, wie brillant all diese Geschichten waren, die sich in ihrer Verbindung von Thema und Musik vor mir ausbreiteten. Die Narrative sind einfach unglaublich. Muhammad Ali tritt an zum "Fight of the Century" genau in dem Moment, in dem Friedensaktivisten in Büros des FBI einbrechen und daraufhin Geheimdokumente über Massenüberwachung öffentlich machen. Lennon nimmt "Gimme Some Truth" auf, während Nixon Aufnahmegeräte im Oval Office installiert. Das war so unfassbar reichhaltig. Man musste nur reingreifen und zupacken. Immer gab es passende Musik dazu.


ASIF KAPADIA: Wenn man ein Thema umfassend zu begreifen versucht, kommt es leicht vor, dass man sich in der schieren Masse an vorliegendem Recherche- und Archivmaterial verliert. Manchmal braucht man Jahre, um sich einen Weg durch den Dschungel zu bahnen. Hier waren wir mit einer Unmenge an Information und Material konfrontiert. Wenn wir uns unsicher fühlten oder eine falsche Abzweigung genommen hatten, musste man nur einen Blick auf die Liste an unglaublichen Künstlern und Songs werfen. Die Musik war unser Leuchtturm. Lass es uns doch mit diesem Song versuchen, wie sieht's mit diesem Album aus? Die Prämisse der Serie war einfach unglaublich, darauf konnten wir immer zurückgreifen. Wir sahen uns an, wann genau die Musik veröffentlicht wurde, worum es ging, worauf sie Bezug nahm, wie relevant sie für heute ist.


Wie kamen Sie darauf, die Serie in acht Episoden zu unterteilen?


JAMES GAY-REES: Ein Film kam in Anbetracht der Fülle des Materials niemals in Frage. Da haben wir ungefähr fünf Minuten drüber nachgedacht, um diese Idee sofort wieder zu verwerfen. Zunächst fassten wir eine Serie von zwölf Episoden ins Auge. Eine Folge für jeden Monat, genau wie es David Hepworth in seinem Buch "1971: Never A Dull Moment" gemacht hatte, dessen Adaption der Serie zu Grunde lag. Dann spielten wir mit dem Gedanken, das Jahr in vier Folgen in Spielfilmlänge zu erzählen, jeweils 90 Minuten lang. Das war die Struktur, anhand der wir die Themen aufgearbeitet haben. Aber dann waren die Namen so gut, die Geschichten so faszinierend, das Angebot so zahlreich, dass wir die vier Filme mehr oder weniger noch einmal geteilt haben, um in acht Folgen à 45 Minuten noch prägnanter arbeiten zu können. Und hier muss ich noch sagen, dass wir ausreichend Material hatten, um doppelt so viele Episoden zu füllen, ohne dass eine auch nur eine Minute langweilig gewesen wäre. Aber acht Folgen, das fühlte sich richtig an. Alles andere wäre zu viel gewesen.


David Hepworth hatte kein Problem damit, dass sie sein Buch mehr oder weniger dekonstruiert haben?


ASIF KAPADIA: Im Gegenteil. Man muss einfach verstehen, dass die Struktur oder das Narrativ eines Tatsachenbuchs nicht unbedingt auch für einen Dokumentarstoff funktionieren muss. Als Filmemacher ist es unsere Aufgabe, einen Weg zu finden, unsere Anliegen filmisch darzustellen, etwas Neues aus etwas bereits Bestehendem zu machen. David Hepworth hatte damit überhaupt kein Problem. Ich muss aber sagen, dass sein Buch eine wertvolle Quelle war. Es steckt voller Details, ist unfassbar liebevoll und umfassend recherchiert. Alles, was wir mit unserer Serie gemacht haben, ist in der Vorlage angelegt. Es war unsere Inspiration. Und am Ende haben wir etwas Eigenes gemacht, das aber immer auch der Vorlage gerecht wird.


JAMES ROGAN: Asif, James und ich hatten davor bereits an "Stephen: The Murder that Changed a Nation" gearbeitet, einer Serie über die Ermordung von Stephen Lawrence - eine ungemein politische Angelegenheit. Als ich für "1971" an Bord geholt wurde, geschah das unter der Maßgabe, dass wir uns die politischen Verhältnisse der Zeit genau ansehen würden. Unser Ansatz war, diese Zeit nicht als Vergangenheit zu betrachten, sondern als würden wir sie gerade miterleben. Wir wollten eine Serie machen über Musik, die wir auch heute noch hören, und Politik, deren Auswirkungen wir heute noch spüren.


Wie umfassend war die Recherche? Wie haben Sie entschieden, was Sie in die Serie aufnehmen würden und was nicht?


ASIF KAPADIA: Es war ein langer Prozess. Insgesamt haben wir ungefähr vier Jahre Zeit in "1971" gesteckt. Wir haben viel Zeit darauf verwendet, uns überhaupt erst einmal über unsere Herangehensweise klarzuwerden. Es ging ja auch immer darum, das passende visuelle Material aufzutreiben und sich die Rechte daran zu sichern. Einerseits mussten wir für uns klären, was wir erzählen wollten, andererseits mussten wir herausfinden, wie man das filmisch am besten rüberbringt. Es war ein unentwegter Akt des Referenzierens. Wenn man einen Filmclip gefunden hatte, mit dem man einen Punkt gut illustrieren konnte, ergab sich daraus vielleicht wieder ein neuer Aspekt, über den wir noch nicht nachgedacht hatten. Das ist keine Einbahnstraße. Die Recherche bedingt das Archivmaterial, manchmal bedingt aber auch das Archivmaterial, die Recherche in eine neue Richtung zu lenken. Wir befanden uns im ständigen Austausch mit dem Material, ließen uns inspirieren. Manchmal stellten wir auch fest, dass sich gewisse Thesen nicht aufrechterhalten ließen. Dann strichen wir das und suchten einen neuen Weg. Viele Dinge passierten parallel und nahmen Einfluss auf unsere Sichtweise. Für jeden Künstler, jede Band haben wir Zugang gesucht zu den Künstlern oder Vertrauten und Weggefährten der Zeit. Viele Zeitzeugen leben heute nicht mehr, manche wollten nicht mit dabei sein. Teilweise konnten wir uns mit Archivmaterial behelfen. Meist rannten wir offene Türen ein. Wir haben mehr als einhundert Interviews geführt. Wenn wir nicht ein so tolles Team an unserer Seite gehabt hätten, wäre "1971" niemals umsetzbar gewesen. Und wir haben bis zur letzten Minute gefeilt und Änderungen vorgenommen.


Bands wie Led Zeppelin oder Pink Floyd spielen eine Rolle im Buch, finden aber in der Serie keinen Niederschlag wie auch andere große Namen - Black Sabbath, Yes, Jethro Tull. Gab es dafür einen Grund?


JAMES ROGAN: Das stimmt nicht ganz, Pink Floyd und Black Sabbath sind jeweils mit einem Song vertreten, von Yes gibt es einen kurzen Livemitschnitt. Wir haben versucht, soviele musikalische Aromen der Zeit mitzunehmen, wie es möglich war, auch wenn einzelne Gruppen nur Akzente setzen und nicht Teil der größeren Themen sind. Wie bereits angemerkt: Es war einfach nicht möglich, jedes und jeden unterzubringen. Led Zeppelin wäre mir selbst sehr am Herzen gelegen. Wir haben nur einfach keinen Weg gefunden, diese Gruppe sinnvoll in die Narrative einzubetten, die uns am Herzen lagen. Diese Nuss haben wir nicht geknackt bekommen.


Das Gespräch führte Thomas Schultze

Die Macher von "1971": "Ein sehr turbulentes Jahr"