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Berliner Händler wollen keine Kanzlerlinie

Die Interessengemeinschaft der Händler an der Friedrichstraße, darunter Dussmann - das KulturKaufhaus, klagt beim Bundesverwaltungsgericht gegen den Weiterbau der U-Bahn-Linie 5. Die Anlieger sehen durch die Baumaßnahme ihre Geschäftsgrundlage gefährdet.

Norbert Obkircher12.04.2000 22:00

"Wir drohen damit, unser Haus zu schließen", erklärte Dussmann-Unternehmenssprecher Thomas Greiner. Vor dem Szenario einer offenen Baustelle von 120 Metern Breite und 140 Metern Länge und einer Bauzeit von wenigstens 18 Monaten befürchtet er, dass "uns kein Kunde mehr findet". Von einer eventuellen Schließung wären beim KulturKaufhaus, das kürzlich von der Deutschen Phono-Akademie den Echo als Handelspartner des Jahres erhielt, rund 100 Mitarbeiter betroffen. Greiner bleibt allerdings optimistisch: "Ich bin zuversichtlich, dass sich der Senat bewegt." Die sogenannte Kanzlerlinie, an der sich der Streit entzündet, soll nach den Planungen von Land und Bund den Alexanderplatz mit dem Lehrter Bahnhof verbinden und unter anderem das Reichstagsgebäude und den Bundestag an das öffentliche Verkehrsnetz anbinden. Und der Senat für Stadtentwicklung reagierte bereits auf die Klage der Händler, zu denen neben Dussmann das Westin Grand Hotel, der Juwelier Türler und die Kaufhäuser Galeries Lafayette und Lindenkorso zählen. Die Behörde prüft das bereits abgeschlossene Planfeststellungverfahren erneut, obwohl sie nach der Rechtslage sofort mit dem Bau beginnen könnte: "Wir sind um eine Lösung bemüht, die die Belastungen für die Anlieger berücksichtigt", erklärte Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD), "das gesamte Vorhaben steht noch einmal auf dem Prüfstand." Dazu gab der Senat auch eine erneute Untersuchung zu Fahrgastzahlen, Rentabilität und Baurisiken bei der Gesellschaft für Informatik, Verkehrs- und Umweltplanung in Auftrag. Eine mögliche Lösung des Problems liegt in der Verschiebung des Projekts: Statt eines sofortigen Baubeginns könnten sich beide Seiten vorstellen, die Kanzlerlinie erst in fünf bis zehn Jahren in Angriff zu nehmen. Damit hätte der Stadtteil Mitte Zeit, das Image als Einkaufsmeile zu etablieren. Momentan profitieren die Anlieger von der wachsenden Kundefrequenz und steigenden Umsätzen. Ein sofortiger Baubeginn könnte diese Entwicklung allerdings stoppen. Darüber hinaus denkt der Senat daran, die Baustelle als touristische Attraktion zu vermarkten: Nach dem Vorbild der roten Info-Box, die seit Jahren als Anlaufpunkt am Potsdamer Platz dient, soll eine Brücke über den geplanten Umsteigebahnhof Passanten Einblicke ganz besonderer Art bieten. Auch die Frage möglicher Ausfallzahlungen an die Händler im Bereich der Friedrichstraße ist bereits geklärt: "Jeder hat Anspruch auf eine Entschädigung", erklärte Petra Reetz, Sprecherin des Bausenators. Diese Regelung gilt für alle Betroffenen, die ihre Umsatzeinbußen gegenüber der Stadt nachweisen können.

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