MusikWoche

Live

Nachhaltigkeitsexperte [Stefan Lohmann](/person/stefan-lohmann) untersucht in einer weiteren Folge der MusikWoche-Serie, wie die Veranstaltungswirtschaft angesichts politischer Entwicklungen wie des Kriegs in der Ukraine von fossilen zu regenerativen Energien wechseln könnte. 


Wie wichtig Energiesparen und die Umstellung auf Ökostrom ist, damit wir als Gesellschaft und Wirtschaft unabhängig von Gas, Öl und Strom werden, zeigt die aktuelle politische Situation sehr deutlich. Ökostrom zu nutzen und Energie zu sparen, wird jetzt zum Politikum und zur Friedensmission. Wer will jetzt noch auf fossile Energien setzen und damit direkt die russische Öl- und Gas-Industrie unterstützen? Aber wie kann die Veranstaltungswirtschaft ihrer Verantwortung gerecht werden und ihren Beitrag dazu leisten? Welchen positiven Impact auf Natur und Gesellschaft kann die Eventbranche generieren, um damit Teil der Lösung zu werden? Dass man bei Veranstaltungen viel Energie und Ressourcen einsparen kann, ist keine neue Erkenntnis.


Jetzt wird Energiesparen aber unumgänglich - auch wegen der hohen Kosten. Bands wie Coldplay gehen mit gutem Beispiel voran und haben ihren Energieverbrauch analysiert und reduziert. Das sollte zum Standard werden für Locations, Bands, Veranstalter*innen und Supplier. Alle Beteiligten sollten ihre Energieverbrauchsdaten kennen und wissen, wie man den Energieverbrauch senkt. Alle Firmen brauchen eine Nachhaltigkeitsstrategie und sollten ihren Energie- und Ressourcenverbrauch messen und senken. Allein die Kostenersparnis sollte genug Anreiz dafür sein.


Die von Verbänden, Netzwerken und Medien unterstützte Initiative "16 Steps bis 2025 - für eine klimaneutrale Veranstaltungswirtschaft" setzte bei der Ankündigung des ersten Steps auf Ökostrom und legte mit Fachinformationen offen, welche positiven Auswirkungen die Umstellung darauf hat. Zum Beispiel entstehen durch die Verwendung von Ökostrom keine Treibhausgase. Durch die Nutzung von echtem Ökostrom wird der weitere Ausbau erneuerbarer Energie gefördert. Je mehr Ökostrom genutzt wird, desto weniger fossile Energien werden eingesetzt. Regenerative Energie ist die einzige Energieform, die in einem unbegrenzten Umfang allen Menschen zur Verfügung steht und zudem in der Herstellung immer günstiger wird. Es ist schon jetzt die günstigste Energieform in der Herstellung. Und spätestens seit dem Krieg in der Ukraine ist jedem klar geworden: Regenerative Energien sind Friedensenergien.


Die Politik muss jetzt erkennen, dass die Veranstaltungsbranche großes Potenzial hat, zur Lösung der Energiekrise beizutragen, indem zum Beispiel Locations ausgebaut werden zu Energy Hubs. Dächer und vor allem die Parkplätze können mit Solaranlagen überdacht werden. Wenn man die Parkplätze an Stadien, Messehallen, Eventlocations, Freizeitparks betrachtet, wird deutlich, dass wir von vielen Quadratkilometern Solarfläche reden. Gleichzeitig können die Parkplätze mit Ladestationen ausgebaut werden, und der ÖPNV kann dort Busse aufladen, was auch die Grundvoraussetzung ist für ein klimaneutrales Touring von Stars und Shows.


Allein die Kommunen stellen 1,3 Millionen bezahlte Parkplätze zur Verfügung (ohne Parkhäuser und ohne die freien Parkflächen gerechnet). Das sind deutlich mehr als 15 Millionen Quadratmeter an Solarfläche, denn ein Parkplatz für ein Auto umfasst circa zwölf Quadratmeter. Spielstätten als Energy Hubs würden bundesweit dazu beitragen, dass lokal sehr viel Strom erzeugt wird - ohne lange Transportwege. Die Parkplätze und Locations liegen zum größten Teil in öffentlicher Hand. Es ist also relativ leicht für die Politik, so ein Großprojekt zusammen mit der Veranstaltungswirtschaft umzusetzen, wenn der politische Wille vorhanden ist. 


______Die Wirtschaft muss umdenken


Auch die Wirtschaft muss jetzt umdenken und verstehen, wie wichtig es ist, Messen, Konferenzen, Firmenveranstaltungen und Produktpräsentationen nachhaltig und klimaneutral umzusetzen und entsprechende Firmen zu beauftragen, die das auch gewährleisten können. Denn neben der öffentlichen Hand gehört die Wirtschaft zu den größten Auftraggebenden der Veranstaltungsbranche. Dabei haben Events mit einem positiven Impact auf Natur und Gesellschaft, auch einen positiven Effekt auf den Nachhaltigkeitsbericht, die Mitarbeitenden und alle Stakeholder. Durch das Klimaschutzgesetz ist nachhaltiges Wirtschaften die Zukunft und dabei extrem disruptiv. Wer es nicht schafft, wird aus dem Markt verschwinden.


Hohe CO2-Emissionen sind ein Indikator für Missmanagement und die Verschwendung von Energie, Ressourcen und Geld. Wie lässt sich bei Veranstaltungen Energie einsparen? Das größte Einsparpotenzial liegt bei der Anreise der Gäste. Die Mobilität der Besucher:innen kann bei Großveranstaltungen bis zu 70 Prozent der Treibhausgasemissionen verursachen. Dabei hat gezielte Kommunikation direkt bei der Bewerbung und beim Ticketkauf den größten Impact auf die Zielgruppe. Damit kann man die Mobilität der Gäste auf klimafreundliche Mobilitätsangebote umlenken - etwa auf Bahn, Shuttle-Busse, ÖPNV, E-Shuttles, Umwelttaxi, Fahrgemeinschaften, Fahrrad etc. Eine weitere einfache Möglichkeit Energie zu sparen ist den Energieverbrauch zu messen, um dann zu ermitteln, wo welche Energieverbräuche entstehen, um diese dann zu optimieren. Hier bietet Zap Concept einen Service, den auch Coldplay nutzen. Laut Zap Concept können so über 50 Prozent an Energie eingespart werden.


Weiteres Einsparpotenzial bietet der Einsatz von Batterien als Puffer, die man mittlerweile auch mieten kann bei Greener, Aggreko oder Bredenoord. Dadurch lässt sich der Energieverbrauch stark reduzieren, und gleichzeitig lassen sich mit den Batterien auch Stromspitzen abfangen, wodurch die Produktion insgesamt sicherer wird. Durch die Batterien braucht man zudem deutlich weniger Generatoren. Die Generatoren laufen durch die Befüllung der Batterie im Ideallastgang und verbrauchen dadurch auch weniger Diesel.


Diese Hybridlösung gilt aktuell als die effektivste Möglichkeit, um bei Outdoor-Veranstaltungen Energie und CO2 zu sparen, wenn kein Ökostrom zur Verfügung steht. Biodiesel - auch HVO genannt - bietet zusätzlich die Möglichkei, Diesel zu ersetzen, und das sorgt für weitere CO2-Einsparung und die grundsätzliche Vermeidung fossiler Energieträger. Alle Spielstätten sollten selbstverständlich spätestens jetzt auf Ökostrom umstellen. Zusätzliche sollte auch auf eine Kwh-genaue Abrechnung gesetzt werden, anstatt der üblichen Strompauschalen. Erst damit wird für Produktionen und Künstler*innen ein Anreiz geschaffen, Strom zu sparen.


Auch bei der Logistik lässt sich durch frühzeitige Planung und Optimierung viel Geld und Energie sparen. Zum Beispiel bietet die Pieter Smit Group längere Anhänger, um mit weniger LKWs auszukommen, zudem fahren die Trucks mit HVO (Biodiesel)...

Serie Nachhaltigkeit: "Politik und Wirtschaft ­müssen Branche als Teil der Lösung verstehen"

Serie Nachhaltigkeit: "Politik und Wirtschaft müssen Branche als Teil der Lösung verstehen"