MusikWoche

Recorded & Publishing

MusikWoche: Der [ACT](/company/act-music-vision)-Katalog ist in 20 Jahren sehr vielfältig und abwechslungsreich geworden. Wie bringen Sie das Programm in wenigen Sätzen auf den Punkt?
[Siegfried Loch](/person/siegfried-loch): Mein Vorsatz war und ist es, nur Musik aufzunehmen und zu veröffentlichen, die ich persönlich für gut und für wichtig halte. "Music for people only with an open heart and open mind."

MW: Was sind die erfolgreichsten Veröffentlichungen der ACT-Geschichte?
Loch: Auf Platz eins steht "It's Snowing On My Piano" von Bugge Wesseltoft, auf zwei "Viaticum" von e.s.t. und auf dem dritten Platz "Funky Abba" von Nils Landgren Funk Unit.

MW: Haben Sie ein besonderes Lieblingsalbum der ACT-Historie?
Loch: "Europeana" mit Joachim Kühn und Michael Gibbs. Leider ist es nicht unter den Top 50 unserer bestverkauften Alben.

MW: Wie entwickelt sich bei ACT die Zahl der veröffentlichten Alben?
Loch: Wir haben in 20 Jahren 348 Alben veröffentlicht, von denen derzeit noch 276 im Katalog sind. 1992 wurden acht Alben veröffentlicht, 2011 waren es 30. Für 2012 sind 20 fest geplant. Es werden wahrscheinlich 24 sein.

MW: Wie sah beim Start 1992 Ihr Businessplan aus? Wann sollte der Return of Investment erreicht werden? Wann wurde er erreicht?
Loch: Es gab keinen Businessplan, außer dass ich keine Verluste machen wollte. Das ist immer gelungen. Allerdings zahle und zahlte ich mir auch kein Gehalt, sondern re-investiere alle Gewinne in neue Produktionen und Marketing.

MW: Ab wann spürten Sie, dass ACT mehr als ein weiteres anspruchsvolles Label sein würde, dass Sie sich damit wirklich nützlich machen konnten?
Loch: Mit der Entdeckung von Nils Landgren 1994 und Esbjörn Svensson 1996 wusste ich, das wir auf dem Weg zu einem wichtigen Jazzlabel waren. Mit der Entdeckung von Michael Wollny 2006, dem "wichtigsten deutschen Jazzmusiker seit Albert Mangelsdorff ", hat sich das nochmals bestätigt.

MW: ACT ist gegen den Trend der Musikbranche viele Jahre lang stetig gewachsen. Spüren Sie inzwischen den Gegenwind stärker?
Loch: Wir hatten 2011 unser bisher bestes Geschäftsjahr, dank den Neuverpflichtungen von Youn Sun Nah, deren Album "Same Girl" in Frankreich seit Veröffentlichung im September 2010 nunmehr 65 Wochen in den Jazz Top 10 steht, und des polnischen Superstars Leszek Mozdzer, der in Polen die Nummer eins der Pop-Charts war und Doppelplatin erreicht hat. Das hat die erodierenden Verkäufe unserer bisherigen Topverkäufe mehr als kompensiert.

MW: Womit kompensieren Sie etwaige Rückschläge?
Loch: Mit der Überzeugung, dass Kreativität keine Krise kennt.

MW: Wer ist außer Ihnen noch Gesellschafter der ACT Music + Vision GmbH+Co. KG?
Loch: Einziger Kommanditist ist die ACT VerwaltungsGmbH, und die gehört mir alleine.

MW: Wie haben sich die Umsätze beziehungsweise die Erlöse seit 1992 in Zahlen entwickelt?
Loch: Keine Angabe.

MW: Wie viele Tonträger beziehungsweise Downloads verkaufen Sie in Deutschland, wie viele in Europa, wie viele in anderen Kontinenten?
Loch: Das Verhältnis ist 40 Prozent in Deutschland, 30 Prozent in Frankreich und 30 Prozent im Rest der Welt.

MW: Welchen Stellenwert haben für Sie die Erfolge von ACT beim Echo Jazz?
Loch: Wir freuen uns für unsere Künstler. Und den zweimaligen Echo als Label des Jahres, der ja ein Publikumspreis ist, betrachten wir als Anerkennung der Musikfreunde für unsere Arbeit.

MW: Haben Sie sich mit ACT den Traum Ihres Lebens erfüllt? Oder hätte es für Sie irgendwann auch eine Alternative gegeben?
Loch: Das Jazzlabel ACT ist die Erfüllung meines Jugendtraums. Dazu gibt es keine Alternative.

MW: Gab es für Sie ein unerwartetes, überraschendes Ereignis der ACT-Geschichte?
Loch: Der Tod von Esbjörn Svensson am 14. Juni 2008 kam völlig unerwartet. Der Verlust diese genialen Künstlers und Freunds hat dazu geführt, dass ich ernsthaft darüber nachgedacht habe, meine ACT-Mission zu beenden.

MW: Wenn Sie jetzt zurückblicken: Worauf sind Sie am meisten stolz? Worüber freuen Sie sich am meisten?
Loch: Dass es auch heute noch möglich ist, in diesem schwierigen Markt mit Musik Erfolg zu haben, wenn man seinem eigenen Geschmack vertraut und seinen Instinkten folgt.

MW: Und wenn Sie nach vorne blicken: Was ist Ihnen für die Zukunft von ACT besonders wichtig?
Loch: Dass ich weiterhin neugierig bleibe und mich meine guten Ohren nicht im Stich lassen.

MW: Wie sieht die Altersstruktur der ACT-Kunden aus? Wie schwierig ist es heutzutage, auch jüngere Hörerkreise für Jazz zu begeistern?
Loch: Wir kennen die genaue Altersstruktur unsere Käufer nicht. Ist mir eigentlich auch egal. Übrigens gehe ich hier in Berlin fast wöchentlich (auch)...

Siegfried Loch zu 20 Jahren ACT: "Kreativität kennt keine Krise"