MusikWoche

Recorded & Publishing

MusikWoche: Was ist in Ihren Augen der Hauptgrund dafür, dass EuroSonic Noorderslag so erfolgreich wurde?
[Peter Smidt](/person/peter-smidt): Unser Fokus liegt auf europäischem Repertoire und dessen Verbreitung in Europa, während viele andere Showcasefestivals vor allem darauf abzielen, US-Repertoire nach Europa zu importieren. Unser Ansatz ist anders und sicherlich auch schwieriger, aber ich hoffe, die Leute interessieren sich für dieses Konzept. Und das scheint der Fall zu sein - was dann letztlich auch den Erfolg von EuroSonic Noorderslag 2011ausmacht.

MW: Welche Rolle spielt die spezielle örtliche Infrastruktur in Groningen?
Smidt: Die Gegebenheiten, mit denen wir dort arbeiten, sind unglaublich. In einer Metropole wie Amsterdam würde so eine Veranstaltung einfach nicht funktionieren.

MW: Fürchten Sie nicht, dass angesichts knapper Reisebudgets manche Delegierte dem Festival fernbleiben?
Smidt: Nein, das denke ich nicht. Zwar gibt es allgemein immer mehr Showcasefestivals und Konferenzen, und die Delegierten müssen sich entscheiden, wohin sie gehen, das ist richtig. Man kann einfach nicht alle Veranstaltungen besuchen, das ist unmöglich. Das Reeperbahn Festival hat einen sehr guten Job gemacht und schuf eine hervorragend organisierte und effiziente Veranstaltung. Deutschland ist ein großer Markt und brauchte einfach ein gutes B2B-Event wie dieses. Aber um ehrlich zu sein, EuroSonic ist ganz einfach der zentrale Treffpunkt für den gesamten europäischen Musiksektor.

MW: Ziehen Sie aus der wachsenden Bedeutung Hamburgs Konsequenzen für Ihre eigene Veranstaltung?
Smidt: Wir werden auch weiterhin eine dezidiert europäische Perspektive verfolgen. Uns geht es darum, dass alle Einkäufer und sonstige Parteien, die mit europäischem Repertoire arbeiten, vor Ort sind - und das gilt natürlich auch für die Bands. Wir wollen in Groningen die besten Bands aus ganz Europa präsentieren.

MW: Was haben Sie in den vergan genen 25 Jahren fürs europäische Repertoire erreicht?
Smidt: Mein Fazit ist sowohl positiv wie auch negativ. Wenn man sich die Verkaufszahlen von europäischen Acts in ganz Europa anschaut, hat es nicht wirklich eine Veränderung gegeben. Aber im kleineren Maßstab hat sich durchaus etwas verändert. Diese Veränderungen sind sogar schneller erfolgt als ich dachte. Denn das Publikum ist heute offen für Musik aus Europa. Die Leute wollen einfach gute Musik hören. Es spielt keine so große Rolle mehr, woher eine Band kommt.

Und mit dem European Talent Exchange Programm (ETEP) und auch durch die Kooperation mit den Radiosendern schufen wir auf einer sehr praktischen Ebene neue Chancen für die Bands, sich zu präsentieren. Fakt ist, dass sich die Einstellung der Leute geändert hat - und nicht nur die der Fans, sondern auch die der Businessleute. Noch vor ein paar Jahren hielten es viele für unmöglich, mit europäischer Musik in diesem Territorium erfolgreich zu sein. Nun ist es ganz selbstverständlich, dass man auch nach europäischem Repertoire Ausschau hält. Und diese veränderte Einstellung braucht man, bevor man messbare Resultate erzielen kann. Es liegt nun an der Musikbranche in Europa, mit ihrem eigenen Repertoire zu arbeiten.


MW: Trotz Ihrer Arbeit zum Beispiel mit dem ETEP-Programm bleibt es aber nach wie vor sehr schwer, jenseits nationaler Grenzen erfolgreich zu sein. Wie beurteilen Sie diese Situation?
Smidt: Ich finde es gut, dass das Domestic-Repertoire so stark zugelegt hat. Denn nur dadurch folgt alles andere. Erst wenn ein Künstler in seinem eigenen Land erfolgreich ist, will er auch das nächste Level erreichen - sprich Grenzen überqueren. Erst wenn er in seinem eigenen Territorium Geld verdient, kann er dieses auch investieren, um andere in Angriff zu nehmen. Das ist für mich eine sehr positive Entwicklung. Gleichzeitig bleiben die Playlists überall begrenzt. Der Austausch von europäischem Repertoire wird immer ein Wettbewerb bleiben.

MW: Hatte EuroSonic auch Auswirkungen auf den niederländischen Musikexport?
Smidt: Ja, der holländische Musikmarkt ist heute erfolgreicher denn je. Und auch im Hinblick auf den Export niederländischer Künstler können wir zufrieden sein, da derzeit mehr Künstler als jemals zuvor im Ausland auftreten. Gleichzeitig könnte die Anzahl unserer Acts, die es wirklich jenseits der Grenzen schaffen, größer ein.


MW: Was bewirkte die Veranstaltung seit ihrer Gründung konkret?
Smidt: Nach 25 Jahren EuroSonic Noorderslag schließt sich der Kreis. Als ich damals anfing, das Festival aufzubauen, waren Bands aus Holland in den Medien nicht gern gesehen. Doch als wir dem Publikum und den Medienvertretern die niederländischen Künstler geballt an einem Tag vorstellten, so wie wir das auch heute noch am Samstag tun, erkannten sie, was für gute Bands wir hier haben. Es hat sich ein echter Wechsel bei der Einstellung vollzogen. Die Holländer sind mittlerweile stolz auf ihre Künstler und sagen, ja, wir in den Niederlanden haben einen sehr hohen Qualitätsstandard. Dieser Prozess war übrigens auch einer der Gründe, warum wir die Konferenz ins Leben gerufen haben.


Denn über Fragen wie diese diskutierten die Delegierten bereits in den ersten Jahren sehr intensiv - allerdings vor allem während und nach den Showcases. Deswegen schufen wir den Konferenzteil, um diesen Diskussionen einen angemessenen Rahmen zu geben. Daraus ergab sich dann der nächste Schritt. Denn Bands, die wir für großartig hielten, kannte 100 Kilometer hinter der deutschen Grenze schon kein Mensch mehr - was natürlich auch für die deutschen Bands in Holland galt.

Ich kannte damals zwar Kraftwerk, Can und Neu, hatte aber keine Ahnung, was sich aktuell in unserem Nachbarland musikalisch abspielte. Und das fand ich immer seltsam - auch in kultureller Hinsicht. Wir haben mittlerweile die gleiche Währung, wissen aber nicht, welche Songs unsere jeweiligen Nachbarn singen. Auch ökonomisch ist das ein echtes Problem für Künstler. Denn ein Act kann in einem kleinen Markt wie Holland nur sehr schwer überleben, auch wenn er hier erfolgreich ist.


MW: Haben Sie in den 25 Jahren des Bestehens von EuroSonic Noorderslag auch Enttäuschungen erlebt?
Smidt: Ein Projekt, das mir immer am Herzen lag und an das ich auch noch immer glaube, wäre die Zusammenarbeit mit den Clubs in Europa. Es wäre sehr schön, ein ähnliches Programm wie das ETEP für die Clubs zu haben. Aber das hat sich als sehr schwierig herausgestellt. Ich habe schon einiges versucht, fand aber bislang noch keine Partner, die bereit wären, diese Idee umzusetzen.

MW: EuroSonic hat sich von einer kleinen Veranstaltung zu einem inter nationalen Event gemausert. War das geplant?
Smidt: Nein, es war eine sehr natürliche Entwicklung. Zunächst war das Festival eine nationale Veranstaltung, und viele waren skeptisch, ob es international Fuß fassen kann. Aber Leute wie Christopher Hubert sagten: "Lasst es uns einfach probieren und sehen, was daraus wird." Die Europäisierung setzte dann ein, als das Network Europe begann, am Austausch der europäischen Festivals zu arbeiten, und auch die Radiosender der European Broadcasting Union (EBU)...

Zum 25. Jubiläum von EuroSonic Noorderslag: "Wir sind zentraler Treffpunkt für den europäischen Musiksektor"